Frau im Wald
von Julia Haenni
Theater Marie

Bild: Xenia Zezzi
Es hätte eigentlich ein Tag wie jeder andere werden können. Ist es aber nicht. Der morgendliche Stress entwickelt sich nach und nach zu einem surrealen Trip in einen Alltag, der nach und nach abhanden kommt: Die Heizung ist kaputt, der Geldbeutel nicht auffindbar, der Zahn tut weh, das Auto ist weg, der Lieblingshase ist ausgebüxt und liegt schliesslich tot vor dem Fenster. Und an der Tür klingelt ständig eine Frau, die nichts sagt, nur schaut und schaut.
Julia Haenni erforscht in ihrem Stück „Frau im Wald“ die Auswirkungen bei Kontrollverlust im Alltag. Es beginnt eine beunruhigende Reise ins Innere der Sprechenden. Ein virtuoses Stück über einen Zerfall. Eines Individuums. Einer Geschichte. Einer Welt.
Andreas Kläui in Nachtkritik am 15. März 2018: "Julia Haenni hat im Schweizer Förderprogramm 'Dramenprozessor' – das es nun schon seit 18 Jahren gibt! – einen Theatertext verfasst, der Eigenwilligkeit mit Bühnentauglichkeit verbindet. Er lässt sich geradesogut lyrisch lesen wie dramatisch, atemlos oder stockend, schwebend oder mit Nachdruck, aber er muss jedenfalls in mehrstimmigem Unisono erklingen. Personengrenzen und Sprechsituationen, Dialog, Monolog, Kommentar lösen sich auf, '5 bis 10 Frauen' will Haenni: 'Können auch mehr sein. Viele. Aber allermindestens 5. (...) In der Produktion des freien Theaters Marie in der Aarauer Tuchlaube (und später in den koproduzierenden Partnertheatern des 'Dramenprozessors') steht Julia Haenni selbst mit auf der Bühne, als Teil eines formidablen Frauen-Quintetts, das die gewünschte Mindestgröße durch maximale Ausstrahlung aufwiegt."
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In Julia Haennis furiosem Text, gespielt und gesprochen von vier exzellenten Schauspielerinnen und der Autorin selbst, werden alltägliche Vorgänge wie die Morgentoilette, der Brötchenkauf oder der Weg zur Arbeit werden zur existentiellen Herausforderung. Schliesslich findet sich die Protagonistin, die sich mittlerweile vervielfältigt hat, im städtischen Forst wieder, ohne zu wissen, wie sie dort hingekommen ist.
Parallel zum Verlust der Identitäten auf der Bühne, verliert auch der Zuschauer die Gewissheit über die Objektivität. Er wird in einen Strudel von Stimmen, die keinem eindeutigen Körper mehr zugeordnet werden können, hinein gerissen. Die musikalische Vielstimmigkeit und das Erzählen aus verschiedenen Perspektiven lassen das Individuelle im Grossen und das Grosse im Individuellen gleichzeitig auftreten.
Die Badener Autorin und Performerin Julia Haenni entwickelte ihr Stück im Rahmen des Autorenförderprojektes Dramenprozessor 2017.
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Mit: Judith Cuénod, Silke Geertz,
Julia Haenni,
Barbara Heynen
& Sandra Utzinger.
Regie: Patric Bachmann & Olivier Keller.
Szenografie: Erik Noorlander, Dominik Steinmann.
Video: Kevin Graber.
Kostüm: Tatjana Kautsch.
Vermittlung: Rebecca Etter.
Technik: Andreas Bächli.
Eine Koproduktion des Theater Marie mit Theater Tuchlaube Aarau, Theater Winkelwiese Zürich, Theater St. Gallen und Theater Chur.